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"scht, scht, scht"

Eines der schönsten Geräusche dieser Welt sind für mich diese sonoren Töne, die frisch gekalbte Kühe von sich geben um mit ihren Kälbern Kontakt aufzunehmen. Natürlich gibt es auch bei Kühen diese irren Weiber, die brüllend dem Kalb ins Ohr muhen aber das meine ich nicht. Wenn man still ist kann man es hören. Kühe geben ganz ruhige und tiefe Töne von sich, bei deren Klang ich mich selbst sofort warm und geborgen fühle. Dieser Klang ist für mich der zweitschönste der Welt. Auf Platz eins ist das vergnügte, quiekende Lachen und Plaudern von Kleinkindern.

 

 

Es gibt Geräusche, Gerüche, Lieder, Orte, Bilder, die in uns ganz unvermittelt Erinnerungen hervorrufen und Gefühle anklingen lassen. Ein anderes dieser Geräusche ist für mich das rhythmische streichen eines Bambusbesens, der über den Boden wischt. «Scht, scht, scht.» Das war mein Grossvater. Seine Aufgabe auf dem Hof war das Wischen. Etwas, das er gerne tat und wo er nützlich sein konnte. Neben dem Ernten von Kirschen und Lindenblüten hatte er die Hühner um die er sich kümmerte und eben das Wischen. «Scht, scht, scht» manchmal machten wir extra einen Umweg zum Haus um nicht in die Nähe dieses Geräusches zu kommen, denn es war sonst immer mit Extraarbeit verbunden. «He Christine, chasch mer da no schnäll d’Schufle hebe.» Ja, schnell.

 

 

Grossvater war es gewohnt Aufträge zu erteilen aber mit zunehmendem Alter wurde er milder und für uns Enkelkinder war er ein toller Grossvater. Er war ein Familienmensch und zwei Malzeiten pro Tag sass er an unserem Küchentisch. Dann fragte er uns nach der Schule. Da er sein Hörgerät nur zu besonderen Gelegenheiten trug um Batterien zu sparen, führte das manchmal zu herrlichen Gesprächen. «Scht, scht, scht», ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er sich zum Ausruhen in den motorsägegeschnitzten Stuhl setzte, den Hund daneben. Dieses Lächeln im Gesicht. Die Dankbarkeit in den Augen, wenn man ihm half. Stützstrümpfe ausziehen wollte trotzdem niemand freiwillig. Zum Glück erwischte es dafür meistens meinen Bruder. «Scht, scht, scht», macht es jetzt schon seit zwölf Jahren nicht mehr. Heute nehme ich jeden Morgen den Bambusbesen in die Hand, um den Schopf zu wischen nachdem ich die Kälber auf die Weide gelassen habe. «Scht, scht, scht», macht es dann und ab und an kann es passieren, dass ich dabei etwas wehmütig werde.