Das Zimmer unserer Jungs gleicht momentan in mehrerer Hinsicht einem Schlachtfeld. Einerseits ist da die Unordnung, durch die man sich manchmal einen Weg bahnen muss. Andererseits sind es die Jungs, die mit ihren Spielen und vor allem verbal das Zimmer zu einem Schlachtfeld machen. Streitereien unter Brüdern sind normal aber in letzter Zeit sind sie etwas schiesswütig geworden und erzählen manchmal blutrünstige Geschichten, bei denen sich mir fast der Magen umdreht und ich mich frage woher das kommt. Liegt das in den Genen der Jungs? Ist es die Hitze? Haben alle Kinder irgendwann mal diese Phase? Sind es Verarbeitungsprozesse oder ist es das Umfeld?
Ich halte unsere Familie nicht für gewalttätig oder gewaltverherrlichend. Wir haben keine Waffen als Spielsachen und lassen sie auch keine derartigen Filme schauen. Wir haben noch nicht mal ein Buch mit Piraten oder Ganoven. Aber natürlich können und wollen wir nicht alles von unseren Jungs fernhalten.
Ich erinnere mich gut daran, als wir am Armeegelände in Thun vorbeifuhren und meine Jungs zum ersten Mal einen Panzer sahen. «Mami», sagte da der Ältere, «was für Tiere jagen die denn mit so einem riesigen Gewehr?!» Ich hätte ihm sagen können, dass man damit Monster jagt oder, dass das nur eine künstlerische Skulptur zur Dekoration sei. Aber das wäre gelogen gewesen. Also erklärte ich ihm, dass es auf der Welt eben nicht nur gute Menschen gäbe, sondern auch solche, die so gern Chef seinen, dass sie auch in anderen Ländern Chef sein möchten. Ich erzählte ihm, dass man diese Riesenwaffe auf Flugzeuge und vor allem auf Gebäude, letztendlich aber auf Menschen richte. Er war schockiert. Ich erklärte ihm, dass man solche Waffen aber nur im äussersten Notfall und zur Verteidigung einsetze. Ich erzählte ihm von den Eigenheiten der Schweizerbevölkerung, die gerne selbst bestimmt was für Gesetze es in ihrem Land gibt und nicht will, dass jemand mit Gewalt Chef wird und wir alle plötzlich diesem gehorchen müssten. Ich fühlte mich wie in einem patriotischen Wahlkampfvideo der SVP. Aber irgendwie auch ein bisschen stolz.
Anschliessend waren meine Buben unglaublich damit beschäftigt gute Menschen zu sein. Wenn man bei einem Spiel einem Mitspieler eine Karotte stehlen durfte, war das schlimm. Zum Weinen schlimm. Sie kamen in einen emotionalen Zwiespalt. Das ist jetzt vorbei. Jetzt werden Fingerpistolen auf Mami gerichtet und mit WC-Papierrollen werden Kanonen gebastelt. Mir wurde gesagt, dass das ein normaler Prozess sei in der Entwicklung des moralischen Empfindens der Kinder. Mir wurde auch gesagt, dass man Buben noch so pazifistisch erziehen könne, irgendwann sässen sie auf der Toilette und machten «peng, peng, peng». Man soll Jungs eben auch einfach Jungs sein lassen. Das alles ist nachvollziehbar aber es ist trotzdem gewöhnungsbedürftig den Prozess zu sehen und zu begleiten. Es scheint mir, als wären die beiden in ein neues, etwas weniger unschuldiges Zeitalter des Kindseins gewachsen.