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Zum Donnerwetter

Ich habe einen kleinen Garten, eine Pflanzung und rund ums Haus Beeren. Es ist richtig schön, wie ich täglich irgendetwas ernten kann. Als es vor ein paar Tagen plötzlich dunkel wurde und ein Wind aufkam eilte ich noch schnell hinaus um Beeren abzulesen bevor der Hagel das für mich übernehmen könnte. Mein Gang in den Garten wurde begleitet von stetem Donnergrollen. Wie oft macht man noch schnell etwas, obwohl der Donner schon näherkommt. Man kann das Wetter ja auch ganz gut einschätzen und weiss welche Art von Gewittern bedrohlicher ist und welche harmloser. Wenn man an einem anderen Ort ist schätzt man die Lage aber vielleicht anderes ein.

 

Blitz und Donner haben etwas faszinierendes, einschüchterndes, beunruhigendes, erregendes. Ich liebe diesen Geruch der nassen Strasse und das Geräusch des Regens auf einem Blechdach oder auch auf einem Schirm. Ich mag auch das Donnergrollen, das klingt, wie die rollende Holzkugel auf der Kegelbahn. Wenn der Donner aber so einen metallischen Klang hat, dann gefällt er mir weniger.

 

Ein Mal habe ich erlebt, wie der Blitz in unseren Melkstand einschlug und dieses Geräusch des Donners, das so ähnlich klang wie Feuerwerk hatte eine metallische Komponente. Es ist nichts weiter passiert, als dass der Computer der Melkmaschine durchgeschmort war, zum Glück.

 

Als Eltern haben wir versucht unseren Kindern einen möglichst ruhigen Zugang zu Gewittern zu ermöglichen. Wir haben uns oft auf den Balkon gesetzt, uns in eine warme Decke gekuschelt und dem Gewitter zugesehen. Die Gesichter wurden dabei angenehm benetzt aber nicht nass. In diesem Jahr haben wir das irgendwie nicht mehr gemacht. Irgendwie schade. Ich mochte diese wortlosen Momente.

 

In diesem Jahr habe ich mich zum ersten Mal seit langem wieder vor Gewittern gefürchtet. Einmal bin ich erwacht und konnte nicht wieder einschlafen. Das war in der trockeneren Zeit des Sommers. Da waren Blitze und metallischer Donner und kein Regen. Ich lag wach und hoffte darauf, dass es kein trockenes Gewitter sei. Bis dann endlich das erlösende Prasseln kam.

 

Gewitter wühlen uns auf. Und noch beeindruckender werden sie in einer ungewohnten Umgebung. Wie damals in diesem Festzelt direkt am Brienzersee, wie haben wir uns bemüht uns nichts anmerken zu lassen damit unsere Freunde aus Amerika nicht noch unruhiger werden. Und alle in dem Zelt taten das Gleiche. Es wurden weder vor noch nach dem Gewitter so viele Witze gerissen, wie währenddessen. Der Mensch ist ein Kuriosum, wie wir bei grösster Bedrohung am lautesten Lachen um den Schein von Normalität zu wahren. Die Luft kräuselte sich beinahe vor Anspannung. Es tat gut, dass einige zu Singen begannen. Singen hilft.

 

Das tun wir mit Kindern ja auch automatisch. «Heile, heile Säge» ist wohl das bekannteste dieser Lieder. Es sei sogar wissenschaftlich erwiesen, dass Schlaflieder eine schmerzlindernde Wirkung hätten.

 

Im Normalfall sind Gewitter bei uns aber harmlos und deshalb war es für mich erstaunlich, dass unser Gast aus Norwegen so unruhig war, als wir gemeinsam bei Donnergrollen im Garten Erdbeeren pflückten. Irgendwann fragte sie mich, ob ich nicht wieder ins Haus wolle. Ich antwortete, dass das Gewitter noch weit entfernt sei und wir die Arbeit noch gut beenden könnten. Sie sah zum Himmel hinauf und meinte trocken: «Also, wenn es bei uns so Klingt, dann geht man ins Haus und betet.» Ich fragte sie, ob sie denn keinen Blitzableiter hätten. «Was ist das?», gab sie zur Antwort.

 

Ich bin dankbar für die Erfindung des Blitzableiters und dafür, dass wir einen haben. So können wir beim nächsten Gewitter vielleicht wieder beruhigt auf dem Balkon sitzen und die Sekunden zwischen Blitz und Donner zählen. Damit wir und unsere Kinder die Gewitter in unserer gewohnten Umgebung kennenlernen können und so einen ruhigeren Umgang mit ihnen haben.