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Kleider machen Leute

Diese Woche habe ich viel über Kleidung nachgedacht. Da war mal wieder ein überquellender Wäscheberg und obwohl ich fleissig am Waschen war, hatten die Jungs plötzlich keine Socken mehr, da diese im Wäschekorb irgendwie alle ganz unten gelandet waren. Man könnte so leicht auf den Gedanken kommen, dass wir vielleicht zu weinig Socken hätten, wäre da nicht der überquellende Kleiderschrank. Und eben diesen, genauer meinen Schrank, wollte ich eigentlich diese Woche ausmisten.

 

Als ich Anfang Woche vor dem Schrank stand und etwas passendes zum Unterrichten suchte, fand ich bei den Pullovern irgendwie nur Exemplare in schwarz mit Rollkragen, viel zu dünne oder grässlich bequeme Modelle. Mit einem dieser bequemen Stücke in der Hand ist mir meine Haushaltskunde Lehrerin der Bäuerinnenschule durch den Kopf gegangen. Einen fleckigen Pullover, den man «gäbig» zum Arbeiten anziehen kann, um den es nicht zu schade ist, wenn er schmutzig wird hat doch fast jeder irgendwo. Unsere Lehrerin, die meist sehr adrett gekleidet war, riet uns dringend davon ab solche grässlichen Bequemlichkeiten zu horten. Für die meisten unter uns sei putzen an sich schon eine wenig reizvolle Tätigkeit. Also sollten wir das Ganze nicht noch deprimierender machen, in dem wir auch noch hässliche Kleider dazu tragen würden.

 

Mein Entschluss stand fest: Ich würde ausmisten, sobald ich Zeit dazu fände. Ausserdem beschloss ich mir ein oder zwei neue Pullover zu leisten und etwas mehr Farbe in meinen Schrank zu bringen. Ich bestellte einige Exemplare, denn wann komme ich schon an einem Kleiderladen vorbei? Ich bestellte ausserdem noch einige Hosen für meinen Sohn, da ich in nächster Zeit wohl auch nicht zum Aufnähen von Knieflicken kommen werde und er doch mal wieder wenigstens ein Paar ganze Hosen haben sollte.

 

Beim Anprobieren der Pullover hatte ich Entscheidungshelfer. Meine Jungs, die gerne Pakete auspacken halfen mir dabei. Einen Pullover nach dem anderen probierte ich und entschied «behalten» oder «zurücksenden». Einen zog ich an und entschied mich umgehend für zurücksenden. «Wieso?» fragte der ältere meiner Jungs. «Weil der Pullover aussieht, wie ein Sack.», erklärte ich. «Aber du siehst gut aus damit.», erwiderte er. «Ich möchte aber keinen Pullover tragen, der aussieht als hätte ich im Stall einen Sack geholt und angezogen.», sagte ich. «Mami du siehst mit dem Pullover gut aus. Eigentlich gefällst du mir immer, egal was für einen Pullover du trägst.», schmeichelte er.

 

Eigentlich hat er ja recht. Ab einem gewissen Punkt ist es egal was man trägt. Die Leute im näheren Umfeld wird es nicht kümmern. Beim ersten Eindruck spielt es aber eine Rolle und vor allem spielt es eine Rolle wie wir uns in den Kleidern fühlen. Es geht nicht unbedingt darum was die Leute, die uns sehen dann denken, sondern darum ob wir uns in den Kleidern gut fühlen. Sicher und kompetent bei einem Vorstellungsgespräch. Stolz und schön auch beim Putzen. Und ich weiss jetzt eines ganz bestimmt: Meine Jungs sind die besten, wenn ich mal einen Aufsteller brauche aber nicht unbedingt bei der Einkaufsberatung. Und ausserdem muss ich in meinem Schrank dringend Platz machen für die drei neuen Pullover…