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Hät ja gar kein Wolf im Wald

Adieu Schnee. Es regnet seit Tagen und unser schöner Schnee ist zu einem Flickenteppich aus weiss, braun und grün geworden. Es erinnert entfernt an einen Tarnanzug.

 

Wo der Schnee so langsam verschwindet, frage ich mich, wo eigentlich M76 abgeblieben ist. Letztes Jahr um diese Zeit sorgte der Wolf für viel Wirbel, indem er sich immer mal wieder irgendwo zeigte, wie er am Dorfrand vorbeispazierte. Heuer ist es still um ihn. Eigentlich kam er doch immer in Talnähe, wenn die Schneedecke so dicht war, wie in den letzten Wochen.

 

Am Dienstag fand ich, als ich die Jungs zum Schulbus brachte, grosse Spuren im Schnee. Könnten das wohl Wolfsspuren sein? Bei Tageslicht scheint sowas ja auch nicht bedrohlich. Etwas in mir freute sich sogar darüber. Das wäre doch spannend. Die Spuren führten schliesslich auch nicht zu unserem Haus. Bei genauerer Betrachtung und Ausmessung der Spuren entschied ich dann, dass es wohl einfach der grosse Fuchs war, der jeden Morgen hier unterwegs ist. Auch schön und spannend genug.

 

Nur wo ist dann M76? Vielleicht ist er unter eine Lawine gekommen, einem Schneepflug zum Opfer gefallen, an Altersschwäche gestorben oder er ist abgewandert und möchte sich dem Weibchen vom Belpberg anschliessen. Oder es sind doch die drei «sch» im Spiel. Schiessen, schaufeln, schweigen. M76 wäre doch gar nicht so übel. Er hat ein gewisses Alter und Erfahrung. Er ist nicht zwingend auf einfache Beute angewiesen, er kann auch Wild erjagen. Er weiss jetzt auch, wie man schnell tötet, so müssen die Tiere nicht so lange leiden, wie am Anfang. Er sorgt auch dafür, dass so schnell kein junger Wolf in unser Gebiet kommt. Ausser vielleicht ein Weibchen. Falls er denn noch da ist. Ich weiss nicht was beunruhigender ist. Nachrichten darüber, dass er da ist oder keine Nachrichten von ihm.

 

Ich schiebe den Gedanken beiseite und freue mich auf den Frühling. Wir haben ein kleines Zicklein mit Namen Inka bekommen. Es wird sicher wieder sehr lustig ihre Ohren fliegen zu sehen, wenn sie über die Frühlingswiese hüpft. In diesem Fall bin ich dann sehr froh, wenn M76 nicht in der Nähe ist.

 

Heute nehme ich die Saatgutkiste hervor und schaue mal nach, was wir alles pflanzen könnten. Gesät wird aber noch nichts. Unsere Aufzuchtecke ist noch besetzt von den Litchi-Bäumchen, die aus den Kernen gewachsen sind, die wir um Weihnachten in ein Töpfchen Erde gesetzt hatten. Sie werden wohl nie Früchte tragen in unserem Gebiet. Ausser wir bauen eine Orangerie oder das Klima ändert sich so drastisch, wie ich es nicht hoffe. Vielleicht haben wir auch einfach Glück und können die Bäumchen so erziehen, dass ihnen die Kälte nichts ausmacht. Sie kennen ja nichts anderes als unser Klima. Wer weiss, Litchi aus der Schweiz, das wäre doch was!