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Am Nabel der Welt

Wenn mein Mann darauf angesprochen wird, dass unser Daheim ganz schön abgelegen sei, dann antwortet er jeweils: «Nei, mir si zentral gläge!» Ganz unrecht hat er dabei nicht. Wenn man eine Schweizerkarte zur Hand nimmt, so liegt unser Wohnort recht zentral und wenn man bedenkt, dass wir zu drei verschiedenen Städten der Schweiz immer etwa gleich lange unterwegs sind, dann wohnen wir auch zentral. Die Leute, die uns darauf ansprechen meinen freilich etwas anderes. Es ist halt alles eine Frage des Blickwinkels.

 

Ähnlich ergeht es mir, wenn ich die Landwirtschaftlichen Medien durchblättere. In jeder Ausgabe findet man auf irgendeiner Seite einen bekannten Namen, oder es strahlt ein vertrautes Gesicht entgegen. Die landwirtschaftliche Welt so scheint es, ist ein Dorf, wie man so schön sagt. Jeder kennt jeden und alle berichten über das Gleiche und Ähnliche. Es ist fast, als würde man das Lokalblatt lesen, so klein scheint diese Welt. Diese Welt hat ihre eigenen VIPs und diese scheinen so normal und vertraut, wie du und ich. Es sind Menschen mit denen man entweder beruflich, von Vereinswegen oder privat zu tun hatte. Oder wenigstens sass man in irgendeinem Festzelt, an irgendeiner Viehschau schon am Tisch genau neben der Person, die jetzt da in der Zeitung vor einem ist. Liest man also nur bäuerliche Medien könnte der Eindruck entstehen man sei am Nabel der Welt zu Hause.

 

Dieses Gefühl ändert sich schlagartig, wenn man eine nicht bäuerliche Zeitung öffnet. Von den Personen da drin habe ich den aller wenigsten je einen Kaffee serviert. Die Inhalte sind nicht weniger spannend aber doch manchmal auch weniger greifbar. Die Personen und Themen sind global und weniger nahe an meinem Zentrum. In diesem Zusammenhang sind wir fern ab vom Schuss. Manchmal tut auch dieses Gefühl gut. Man ist dann nicht involviert und kann sich nüchterner über Themen unterhalten. Man bekommt einen Eindruck von den grösseren Zusammenhängen und einen Einblick in die Welt der Menschen, die eine andere Lebenswelt haben. Es ist eine Horizonterweiterung, ein Öffnen der Welt.

 

Diese Horizonterweiterung schätze ich auch, wenn ich Pakete bekomme mit Zeitungsseiten. Besonders dann, wenn sie aus dem Ausland und nicht gerade chinesisch sind. Wenn ich Pakete mache, dann verwende ich meinerseits gerne Seiten aus den landwirtschaftlichen Printmedien oder das Lokalblatt als Stopfmaterial. Ich bilde mir dann ein, dass es die Empfänger vielleicht unterhaltsam finden. Das sind dann zum Beispiel die aktuellen Marktpreise für Güter aus der Landwirtschaft oder ein grosser Bericht über die neuesten Entwicklungen im Bereich berggängiger Zugfahrzeuge.

 

Alles in allem gebe ich mich gerne der Illusion hin am Nabel der Welt zu sein. Es macht die Welt so vertraut und persönlich. Es gibt mir das Gefühl zentral zu wohnen. Das Gefühl zentral zu sein.