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Einfach nur krank sein

Es ist passiert und ich habe keine Ahnung wie. Irgendwo habe ich mich mit dem Corona Virus angesteckt. Bei dem Telefonat mit dem BAG, als sie versucht haben die Ansteckungsorte zu eruieren und mich ausgiebig dazu befragten wo ich denn überall gewesen sei, konnte es der freundliche Herr selbst kaum glauben, dass ich eigentlich nur zu Hause war, einkaufen ging oder zur Arbeit. Nein, wir haben keine Familienfeste besucht, die stehen erst für nächste Woche an. Wir haben auch an keinem feucht-fröhlichen Jassabend mit Freunden teilgenommen. Ich habe eigentlich ein stinklangweiliges Leben geführt.

 

«Und was haben sie an jenem Montag gemacht?», fragte die Stimme am Telefon. Ich habe krampfhaft versucht mich zu erinnern. «Ich war zu Hause.» «Das heisst, sie haben nichts gemacht?» «Halt, das habe ich nicht gesagt. Nur weil ich zu Hause war, heisst das nicht, dass ich nichts gemacht habe.» Ich musste lachen und dem Herrn war es sehr peinlich. Er entschuldigte sich viel Mal für die saloppe Äusserung und erklärte, dass er nicht oft Leute am Telefon habe, die so wenig ausserhalb des Hauses unternähmen, wie wir. Nunja, wir haben auch ein grosses Zuhause und genug zu tun.

 

Das grosse «Nichtstun» kam im Anschluss an das Gespräch. Ab in die Isolation. Ich hatte plötzlich massenhaft Zeit um mich auf den Sozialen Medien wieder etwas auf den neuesten Stand zu bringen. Ich habe ein Buch fertiggelesen und ein zweites begonnen und vor allem viel geschlafen. Die Müdigkeit hat mich fast umgehauen. Ansonsten blieb ich zum Glück ziemlich verschont. Vielleicht habe ich eine milde Variante erwischt oder mein hyperaktives Immunsystem hat voll gegriffen oder all das Vitamin B und die Omega3 Säuren haben gewirkt oder…Ich weiss auch hier keine Antwort und bin einfach nur dankbar, dass es so ist. Es geht mir gut.

 

Und dem Rest der Familie? Und wie geht Isolation mit Kindern? Wer hat sich um die Tiere gekümmert? Was lief in der Schule? Diese und ähnliche Fragen werden Ihnen vielleicht jetzt durch den Kopf gehen. Also, dem Rest der Familie geht es eigentlich gut. Die Kinder haben Symptome, wurden aber negativ getestet. Die Isolation haben wir nicht als geschlossene Isolation gemacht. Meine Tür blieb offen. Ich habe mich weiterhin um die Kinder gekümmert, auch, wenn sie mich zeitweise selbst auf Distanz hielten. Schon kurios, wenn dir das hustende Kind mit Fieber sagt: «Geh weg Mami! Du bist positiv!» Die Tiere indessen haben mein gesunder Mann und seine Eltern versorgt. Mensch sind die Küken gewachsen in dieser Woche! In der Schule sprangen überall liebe Kolleginnen und Kollegen ein. Nach einem intensiven Tag voller planen und organisieren konnte ich das einfach abgeben.

 

Wobei so einfach ist das gar nicht. Ich bin es nicht gewohnt eine Stellvertretung zu haben und nicht selbst zu unterrichten. Eigentlich bin ich es eher gewohnt noch ein Anti-Grippe-Mittel zu nehmen und danach selbst vor die Klasse zu stehen. Eigentlich fühlte ich mich fürs Kranksein fast zu gut. Ich habe meinen Vater mit Rückenschmerzen in den Stall gehen sehen, die so stark waren, dass er nur gestützt aufstehen konnte und gekrümmt ging. Wenn bei uns jemand krank war, dann durfte man sich nicht dahinein ergeben, denn: «So krank bist du nicht!» Und jetzt war ich ja nicht so krank und durfte doch nichts machen. Aber es war gut so. Mensch bin ich froh. Jetzt, wo es mir wieder besser geht weiss ich erst wie kaputt ich wirklich war. Seit gestern habe ich endlich wieder Elan zu kochen und zu tanzen und einen Rundgang durch den Garten zu machen. Fürs Umgraben reicht die Energie noch nicht aber das kommt schon. Ab morgen darf ich wieder unter die Leute und das jetzt sogar ohne ständig befürchten zu müssen, dass ich irgendwo das Virus auflesen könnte. Und obwohl ich eigentlich ja auch im Normalzustand «nur zu Hause» bin, habe ich doch bei der Bestätigung wieder raus zu dürfen, ein paar Tränen der Erleichterung vergossen.

 

Vielen Dank allen, die spontan eingesprungen sind um Tätigkeiten zu übernehmen und umzuplanen und Bürokrieg auszufüllen. Und danke Jürg, dass du die ganze Kocherei übernommen hast und dafür gesorgt hast, dass ich mal wieder einfach nur krank sein konnte.