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Desaster

Es war warm, seit Tagen und gegen Abend gab es etwas Regen. Am letzten Sonntag gab es ein paar Hagelkörner in verschiedenen Grössen, die jedoch kaum Schaden anrichteten. Anders war es am Montag. Zur Sommersonnwende bekamen wir eine kleine Überraschung serviert.

 

Der Tag war weniger schwül als am Vortag. Und obwohl ich wusste, dass Gewitterzellen im Anmarsch waren, fühlte ich mich sicher. Am Vorabend hatte es ja bereits gehagelt und es war nicht der Rede wert. Dann kam die erste Gewitterzelle. Sie brachte einen wunderbaren Platzregen. Beruhigt genoss ich die warmfeuchten Dämpfe. Dann kam die zweite Front. Es begann mit ein paar Tropfen und plötzlich war da dieser bekannte metallische Klang, als ob Steinchen an die Dachrinne gespickt würden. Dieses feine Klingen ging schnell in ein Trommeln über, das bald zu einem ohrenbetäubenden Lärm wurde. Ich eilte nach draussen auf die Laube, obwohl ich genau wusste, was ich sehen würde. Vor mir war eine weisse Wand. Ein Vorhang, durch den man nicht schreiten möchte. Ein Stein prallte vom Balkongeländer ab und traf mich an der Wange. Nicht stark, dennoch zuckte ich zurück. Obwohl am Morgen noch Gülle ausgebracht wurde, lag der Geruch von Minze in der Luft. Unweigerlich drehte ich meinen Kopf in Richtung Garten und sah sofort, weshalb es nach Minze roch.

 

Jetzt kullerten ein paar Tränen. All die Arbeit, die Stunden, die ich investiert hatte. Mein Garten war so schön und gepflegt wie noch nie. Jetzt wurde er zerhackt. Es blieb aber nicht viel Zeit um darüber nachzudenken. Das Wasser und Eisgemisch begann in einem Bach die Kellertreppe hinunter zu fliessen und wir mussten schnell handeln. Nach 20 Minuten war der Spuk vorbei. Mit Schaufeln und Eimern befreiten wir den Ablauf unten an der Kellertreppe vom Hagel und den Blättern des Apfelbaumes.  

 

Wieso ich nicht vorher eines der Hagelnetze vom Hühnerauslauf entfernte und über den Garten spannte, wie ich es sonst getan hatte, weiss ich nicht. Wahrscheinlich fühlte ich mich einfach zu sicher. Es ist Jahre her, seit wir zum letzten Mal so ein Hagelwetter hatten. Das Bild, das sich uns bot war herzzerreissend. Wenigstens die Essiggurken, die ich schon vor den Schnecken gerettet hatte, schienen nicht ganz gehackt. Die Zucchinipflanzen hatten nicht ganz so viel Glück. Die wenigen Äpfel, die trotz der Kälte im Frühling gebildet worden sind, wurden bei dem Hagel von den Bäumen geschlagen.

 

Glücklicherweise wurde niemand verletzt dabei. Die Hühner gingen alle rechtzeitig in den Stall. Die Kälber und Ziegen brachten sich bei den ersten Körnern in Sicherheit und auch die Distelfinken auf dem Balkon blieben unversehrt. Einige Feldmäuse hatten nicht so viel Glück. Ihre Gänge wurden mit Wasser gefüllt. Schon kurz nach dem der Regen etwas nachgelassen hatte, sahen wir den Turmfalken mit einer Maus zum Kasten fliegen. Einer, der sich über das Wetter gefreut hatte.

 

Nach dem ersten Schock stellte sich bei mir eine unglaubliche Ruhe ein. Jetzt hatte ich ein oder zwei Wochen "Gartenfrei". Es gab nichts, das ich noch hätte tun können in diesem Moment. Was soll ich jäten, lockern oder giessen? Ich muss zuerst wissen, was genau überlebt hat. Das gibt mir Zeit mich voll und ganz auf den Schulschluss zu konzentrieren.

 

Es regnete in den folgenden Tagen täglich. Hagel kam glücklicherweise keiner mehr nach. Gestern schien die Sonne und ich wagte erneut einen Rundgang. Einige reife Erdbeeren lagen im Hochbeet. Es sind neue Kapuzinerkressen, Bohnen und Basilikum gewachsen. Das Hagelnetz über den Kürbissen hat doch drei Stauden komplett geschützt. Das Unkraut wächst wie eh und je.

 

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein Garten nach so einem Sturm wieder erholt. Pflanzen können noch einmal ausschlagen und ich bin in all der unfassbaren Zerstörung unheimlich dankbar. Dankbar für all die Male, in welchen wir verschont geblieben sind und dankbar für die Erinnerung daran, dass nicht alles in meiner Hand liegt.