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Schattenseiten

Manchmal geht es nicht ganz so, wie geplant. Nirgendwo spürt man das besser, als in der Landwirtschaft. Je lebendiger die Materie mit der man arbeitet, desto flexibler muss man sein. Mitunter wird man dann vor Entscheidungen gestellt, die man so eigentlich nicht treffen wollte.

 

Eigentlich haben wir unsere Fresser jeweils etwa von Ostern bis Anfang November. Wir stellen uns darauf ein und rechnen damit. Es ist von Anfang an klar, dass es so sein wird. Ausser in diesem Jahr. Einer der beiden Ochsen machte uns Sorgen. Er frass zwar, nahm aber nicht mehr zu und schien nicht mehr so viel Energie zu haben. Er legte sich öfter hin als sein Compagnon. Wir beschlossen den Tierarzt zu rufen.

 

Der Tierarzt untersuchte ihn und kam zu dem Schluss, dass der Ochse wohl Verdauungsprobleme hatte. Er fragte, was wir machen möchten. Er könnte sich verschiedene Therapien vorstellen aber bei keiner eine Garantie zur Besserung geben. Da wir sie aber bereits für Anfang November beim Metzger angemeldet hatten, empfahl er uns eine sofortige Schlachtung. Eigentlich wollte das keiner. Aber unter den gegebenen Umständen war es wohl tatsächlich das Vernünftigste.

 

Eigentlich sollte es mir nichts ausmachen. Das Leben der beiden wurde nur um zehn Tage verkürzt. Dem einen Ochsen konnten wir so unter Umständen zehn Tage Schmerzen ersparen. Dem anderen konnten wir den Trennungsschmerz von seinem Kumpel ersparen. Es galt auch abzuwägen wie viel Geld man noch in eine Therapie investieren möchte. Was macht finanziell und ethisch Sinn? Dieser wirtschaftliche Aspekt des Entscheides dem Leben der beiden ein Ende zu setzen, schien mir irgendwie unwürdig. Der Zwiespalt zwischen Fürsorge für ein Tier und dem letztendlichen Nutzen, der von Anfang an geplant war, ist manchmal schwer auszuhalten. Die Abruptheit dieses Mal war dabei für uns alle ein kleiner Schock.

 

Trotzdem gehört es dazu, dass wir diese Tiere nutzen und wir alle schätzen die Produkte, die daraus resultieren. Am Abend vor der Schlachtung verabschiedeten ich und die Kinder uns von den Tieren. Danach setzte ich mich hin und schrieb eine Liste für den Metzger, damit er weiss wie wir das Fleisch gerne verarbeitet haben möchten. Das gibt bereits eine gewisse Distanz. Mittlerweile freue ich mich schon fast darauf die Kistchen holen und verteilen zu können. Ausserdem spüre ich eine gewisse Arbeitserleichterung. Immer wenn ein Tier geht, streicht das auch einen Punkt auf meiner täglichen Arbeitsliste. So sehr ich es mag die Ochsen bei uns zu haben, so sehr ist es auch erleichternd, wenn sie wieder weg sind.

 

Jetzt haben wir bald wieder die Gefriertruhen voll köstlichem Fleisch. Bald können wir wieder Omelett mit Hackfleischfüllung machen. Bald haben wir wieder Ragout, Siedfleisch, Braten, Plätzchen, Steak, Filet, Haxen, Leber und Zunge. Franky und Fernando waren Nutztiere, die wir einen Sommer lang mit Würde behandelten aber eben auch nutzen.