
Ich suchte einen Grund mich körperlich zu betätigen. Da ich leider nicht der Typ Mensch bin, der ganz alleine über den Vitaparcours hüpft, habe ich den Prospekt der Erwachsenenbildung studiert. «Body forming» im Frühling stand da auf der Liste. Kurz entschlossen meldete ich mich an und stellte schnell fest, dass das kein Plauschfussball war.
Ich schätze etwas mehr als zwanzig Frauen nahmen an dem Kurs teil. Alle standen wir mit unseren Yogamatten und Wasserflaschen bereit. Einige kannten das zu Erwartende, andere wie ich waren Greenhorns. Kennen tat ich wenige. Ein paar Gesichter kamen mir bekannt vor, Namen dazu hatte ich keine. Ich staune immer wieder wie viele Frauen in unserer Gegend leben. Ich dachte nach gut fünfzehn Jahren im Dorf, hätte ich bestimmt jede einmal getroffen. Entweder sind sie neu hergezogen oder es hat noch viel mehr Höfe in Chrächen und auf den Högern dieser Gegen, als ich bisher wahrgenommen habe. Das alles spielte keine Rolle, denn unsere Instruktorin gab klare Anweisungen und liess uns keine Zeit irgendetwas peinlich zu finden oder zu hinterfragen. Aerobic, Jogging mit und ohne Hindernisse, Kräftigungsübungen und Dehnungen. Alles war in diesen Morgenlektionen dabei.
«Los, Los, Los, ned bschysse, ich gseh alles», rief unsere Leiterin in die Runde. «Und hep, hep, hep und hold. Hebe, Fraue hebe.» So schwitzte ich mich durch die Stunden. Und der folgenden Woche durfte ich den Muskelkater geniessen. Es tat gut mich zu bewegen, zeigte mir wo mein Body formbar wäre und liess mich eine Stunde pro Woche den Kopf ausschalten. Damit alle verstanden wie wir die Übungen ausführen mussten, brauchte bekamen wir immer wieder sehr klare Bilder beschrieben. «Ziehnd dä Buchnabel y! Uf de andere Site vom Stacheldraht lyt es Tuusigernötli im Gras. Ziehnd dä Buchnabel y, wenn ihr eu langsam über de Stacheldraht büged zum das Nötli ufläse.» In meinem Kopf fragte ich mich sofort, welcher Viehhändler, denn da eine Tausendernote auf der Weide verloren hatte. Und ist Stacheldraht überhaupt noch legal? «Buchnabel yzieh! Ihr wend ned mit däm Stacheldraht in Berüehrig cho, ich ha dä Cheib no under Strohm gsetzt!» Ok, das kann nicht legal sein. Und warum konnte ich eigentlich die Note nicht unter dem Zaun hindurchfischen? Überhaupt hatte es doch bei den festen Zäunen immer irgendwo ein Tor. War der Wind so stark, dass ich das Geld sofort auflesen musste damit es nicht davonflog? Könnte ich nicht zum Tor und so die Weide betreten? Wem müsste ich die tausend Franken eigentlich abliefern? Würde ich sie im Haus an die Wandtafel hängen, mit einem Post-It «gehört unbekannt»? Vielleicht würde sich ja der betreffende Viehhändler irgendwann melden, der hier eine violette Note vermisste. Behalten könnte ich sie sicher nicht dürfen. Der Betrag ist zu hoch. Und dafür sollte ich mich jetzt über einen mit Strohm geladenen Stacheldraht krümmen? Ich machte es trotzdem. Und so viel Zeit zum Überlegen blieb mir auch nicht, denn es ging schon weiter. Die folgende Bauchmuskelübung verlangte meine ganze Konzentration. Selbst, wenn ich mich ablenken lassen würde durch die Schülerinnen und Schüler, die jetzt während ihrer Pause zu uns in die Halle hinabblickten, so holte mich der Schmerz ins hier uns jetzt zurück.
Jetzt, wo die Tage etwas wärmer werden folgt bald wieder das Body forming zu Hause. Nur die Instruktorin wird mir fehlen. «Los, schneller häckele, denn wird d’Üebig intensiver. Grade Rügge bim Räche und Buch izieh bim Eierusnäh, Fraue ziehnd dä Buch y», könnte sie dann vielleicht sagen. Auf jeden Fall stand ich schon viel aufrechter, mit langem Rücken und eingezogenem Bauchnabel beim Kartoffelschälen am Wachbecken. In meinem Hinterkopf nehme ich sie mit in die Gartensaison. Wer weiss, vielleicht wird Jäten dann auch für mich zur bewussten Aktivität, statt zur lästigen Pflicht.