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Unter jedem Dach ein Ach

Es gibt Tage, an denen hadere ich mit mir und meinem Leben. Ein Leben, das eigentlich wunderbar und erfüllt ist. Trotzdem gibt es Tage, wo ich mich wohl wie die meisten etwas überfordert fühle oder das Gefühl habe die Schwierigkeiten, denen ich mich stelle, kenne wohl niemand anderes, den ich gerade so kenne. Ich sitze im Zug und sehe die vielen Menschen auf dem Peron. Die Menschen, die ein und aussteigen und habe den Eindruck sie seien sorglos unterwegs.

 

So auch an einem Tag der näheren Vergangenheit. Ich sass im Zug und es setzte sich ein Mann zu mir ins Abteil. Auf das Tischchen legte er ein Buch. Lesen, dachte ich, das sollte ich auch mal wieder. Wie toll, dass er diese Menschen noch gibt, die ihre Zugfahrt mit einem Buch verbringen. Dann sah er auf die Uhr und zückte sein Mobiltelefon. Er rufe an wegen der Resultate seines Lungen-CTs…Hoppla. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Der Mann musste sich eine ganze Weile gedulden, bis er den Rückruf des Arztes bekam. In dieser Zeit las er, wie wenn nichts wäre weiter in seinem Buch. Und ich ging in meinem Kopf die mögliche Anzahl harmloser Diagnosen durch, die eine Fachperson dazu veranlassen ein CT bei einem scheinbar kerngesunden Mann anzuordnen. Der Rückruf kam. Der Mann hörte eine Weile still zu. Dann warte er also jetzt auf das Aufgebot des Spitals nächste Woche, sagte er dann recht nüchtern. Er verabschiedete sich höflich und griff wieder nach seinem Buch.

 

Hätte ich die Unterhaltung nicht mitbekommen, er wäre für mich genau einer jener Menschen gewesen, die ich für sorglos hielt: so ruhig und gelassen mit einem Buch unterwegs, irgendwohin. Ich sah aus dem Fenster und betrachtete die Menschen am nächsten Bahnhof. Was wusste ich schon von ihnen? Was mochte der Herr im Anzug für Probleme zu Hause haben? Vielleicht eine schwierige Scheidung oder er kämpfte mit Verstopfungen? Die Frau mit der Gitarre, sie sah so erfrischend aus. Gut erholt war sie bestimmt unterwegs in die Schule. Ihr fehlte bestimmt nichts. Ausser, wer weiss, vielleicht kämpfte ihre Mutter mit Depressionen? Und der Mann mit dem Kind im Wagen. Der kämpfte doch allerhöchstens mit dem normalen Alltag als Vater eines Kleinkindes. Na bei der Frau in ihrem bauchfreien Top bei knapp 10 Grad glaubte ich zumindest zu wissen was bald ihr Problem sein könnte. Da kam mir ein Satz in den Sinn, den eine Ältere Frau einst zu mir sagte: Denke daran, unter jedem Dach ein Ach. Jeder und jede hat mit irgendwas zu kämpfen. Es mag nicht allen gleich gravierend erscheinen aber irgendetwas haben alle.

 

 

Das nehme ich mir zu Herzen. Wenn ich mit etwas kämpfe, so haben andere sicher auch ihre Baustellen und vielleicht ist meine Baustelle eigentlich nur für mich ein Problem und im Grossen und Ganzen spielt sie nicht wirklich eine Rolle.